Die nachfolgende Untersuchung stellt für Selbständige dar „Was bleibt…“. Es geht also um die Frage, welcher Anteil vom erzielten Gewinn der Selbständige in Deutschland nach Abzug von Abgaben und Beiträgen zur Führung seines Lebensunterhaltes und zum Aufbau einer Altersvorsorge tatsächlich frei verwenden kann.
Traditionell wird immer über die „hohen Steuern“ geschimpft. Wie gleich zu sehen sein wird, ist dies aber nur die halbe Wahrheit. Insbesondere in den unteren Einkommensklassen stellen die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung eine mindestens ebenbürtige „Belastung“ dar.
Annahmen und Grundlegendes
Der nachfolgenden „Zahlenspielerei“ liegt vereinfachend folgender Fall zugrunde:
- Selbständiger mit Einkünften aus freiberuflicher oder gewerblicher Tätigkeit
- Gesetzliche Krankenversicherung bei der TK mit Krankentagegeld und ohne Anspruch auf Beitragsermäßigung (also keine private Krankenversicherung, nicht Mitglied der Künstlersozialkasse)
- Nicht verheiratet, keine Kinder und keine weiteren „Besonderheiten“
Funktionsweise „Krankenkassenbeiträge“
Zwei Dinge sind für das Verständnis von Bedeutung:
- Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung sind voll steuerlich abzugsfähig, sofern sie auf die „Basisversorgung“ entfallen. Damit beeinflussen die Beiträge also direkt die höhe der zu leistenden Steuern.
- Die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung werden aus einem Prozentanteil von den Einkünften ermittelt (in unserem Beispielsfall sind dies bei der TK 18,4 %). Es gibt allerdings gesetzlich festgesetzte Mindest- und Höchstbeträge, die sogenannten Beitragsbemessungsgrenzen. Daraus ergibt sich für unseren Fall ein Mindestbeitrag zur KV und PV von EUR 410,55. Der Höchstbeitrag beträgt im Jahr 2017 EUR 800,40.
Funktionsweise „Steuern“
Die Einkommensteuer und ihr kleiner Bruder, der Solidaritätszuschlag, ergeben sich aus der Steuerformel nach § 32a EStG. Deutschland hat sich für einen progressiven Steuertarif entschieden, die Höhe des Steuersatzes ist also abhängig vom Einkommen. Vereinfachend gilt: Je höher das Einkommen, desto höher auch der Steuersatz. Es gibt einen Grundfreibetrag (2017: EUR 8.820) und der Höchststeuersatz beträgt 42 % bzw. 45 % ab einem zu versteuernden Einkommen von EUR 256.304 („Reichensteuer“).
Nun aber los…!
Die Datenreihe orientiert sich am Jahresgewinn aus der selbständigen Tätigkeit. Es wurde eine Spanne von EUR 5.000,00 bis EUR 150.000 mit einer Abstufung in 5.000er Schritten gewählt. Dieser Rahmen bringt bereits alle interessanten Effekte und Aussagen ans Tageslicht. Auf Basis des jeweiligen Gewinnes werden sodann die anfallenden Krankenkassenbeiträge und Steuern ermittelt.
Das Zahlenergebnis wird zunächst helikopterartig auf Jahresbasis betrachtet, später werden die Zahlen auf Monatswerte heruntergebrochen, um die Erkenntnisse auf das tägliche Leben zu projetzieren und greifbarer zu machen.
Hier ein Blick in die Datenreihe:
Chart No1: Belastung in % vom Einkommen
Folgende Aussagen lassen sich u.a. ableiten:
- Aufgrund des Mindestbeitragssatzes kann die tatsächliche Belastung mit Krankenkassenbeiträgen für ein Jahreseinkommen bis 10.000 zwischen 50 und 100 % liegen!
- Bis zu einem Jahresgewinn von EUR 35.000 ist die Belastung mit Krankenkassenbeiträgen höher als die Steuer. Erst ab einem Gewinn von EUR 35.000 ist die Steuerbelastung der größere Abgabenblock.
- Und die vielleicht größte Überraschung: Die Gesamtbelastung liegt fast immer bei 40 %. Nur im Bereich zwischen 15.000 und 50.000 gibt es einen kleinen Schwung nach unten, wobei aber die Belastungsgrenze von 30 % zu keinem Zeitpunkt unterschritten wird.
Chart No2: Das Jahres-Netto-Einkommen
Grün ist „Was bleibt“, also das Jahres-Netto-Einkommen. Hierzu ein paar Zahlenpaare:
- Bei einem Gewinn von EUR 5.000 verbleibt ein verfügbares Einkommen von EUR 73,40.
- Gewinn EUR 10.000 / verbleibendes Einkommen 5.000
- EUR 15.000 / EUR 9.900
- 25.000 / 17.400
- 35.000 / 23.300
- 50.000 / 31.200
- 60.000 / 37.000
Die Deckelung der Krankenkassenbeiträge wird hier visuell sichtbar: Ab der Beitragsbemessungsgrenze (2017 für die KV: EUR 52.200) wird der blaue Block nicht mehr breiter. Für viele stellt sich aber eventuell eher die Frage: Couch oder Schreibtisch. Mit anderen Worten: „Lohnt es sich für mich, noch x Euro mehr zu verdienen oder bleibe ich lieber liegen?“. Das muss natürlich jeder für sich selber entscheiden. Hier kommt jedenfalls die passende Grafik dazu:
Chart No3: Mehr-Netto je 5.000 EUR Mehr-Gewinn (pro Jahr)
Chart No4: „Und wieviel bleibt mir im Monat?“
Hier sehen wir das verbleibende Monatseinkommen in Relation zum Jahresgewinn, oder als Frage formuliert: Wenn ich x Euro im Monat als „freies Einkommen“ benötige, wieviel muss ich dann verdienen?
Auf der Hochachse sehen wir das monatliche Netto-Einkommen, auf der Querachse den dafür erforderlichen Jahresgewinn. Der grüne Block ist das monatliche Netto-Einkommen. Zur Verdeutlichung wieder ein paar Zahlenpaare:
- Aus einem Jahresgewinn von EUR 10.000 ergibt sich ein „freies Monatseinkommen“ von EUR 422,78
- Jahresgewinn EUR 20.000 / Monatliches Netto 1.145
- EUR 30.000 / EUR 1.709
- 40.000 / 2.169
- 50.000 / 2.604
- 70.000 / 3.548
- 100.000 / 4.940
Chart No5: „Ach Mist, die Altersvorsorge!“
Alle vorangegangenen Darstellungen des Netto-Einkommens erfolgten ohne Berücksichtigung von Altersvorsorgeaufwendungen. Es erscheint zwar nur schwer nachvollziehbar, aber für Selbständige besteht derzeit keinerlei Pflicht, Altersvorsorge zu betreiben. Somit wäre es derzeit theoretisch möglich, bis zum Renteneintritt das gesamte Einkommen „zu verjubeln“ und sich für den Rest des Lebens in die staatliche Mindestversorgung zu begeben – das dürften dann aber wohl nicht die erhofften „goldenen Jahre“ werden. Es erscheint daher mehr als grob fahrlässig, bei einem „guten Verdienst“ das Thema Altersvorsorge unbeachtet zu lassen.
Der Aufbau einer Altersversorgung wird umso mühsamer, desto später damit begonnen wird. Im Mittel jedenfalls erscheint eine Verwendung von 15 % des Brutto-Einkommens für die „goldenen Jahre“ als gutes Maß. Die abschließende Auswertung zeigt daher das monatliche Netto-Einkommen nach Berücksichtigung von Altersvorsorgeaufwendungen von 15 % der Brutto-Einkünfte. Vereinfachend wird angenommen, dass es sich ausschließlich um Altersvorsorgemaßnahmen handelt, die in der Ansparphase nicht steuerlich abzugsfähig sind.
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Alle Angaben ohne Gewähr!