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  • Buchhaltung? Mach ich selber!

    Buchhaltung? Mach ich selber!

    Selber buchen liegt im Trend. Online Tools wie Lexoffice, Debitoor, SevDesk, Fastbill oder Candis versprechen Großes:

    • „Rechnungen schreiben in unter einer Minute“ (Debitoor)
    • „Meine Buchhaltung macht sich von allein“ (LexOffice, Haufe)
    • „Schnell & Einfach – Du brauchst weder Schulungen, noch Experten. Leg einfach los.“ (FastBill)
    • „Mit sevDesk kannst du die Buchhaltung einfach selber machen – Ganz ohne Buchhaltungskenntnisse“ (sevdesk)
    • „Sparen Sie bis zu 80% Ihrer Arbeitszeit“ (Candis)

    Ist es nun wirklich alles so „smart, easy, schnell und einfach“? Bekommt der Steuerpflichtige wirklich und endlich „mehr Kontrolle über seine Zahlen“? Oder handelt es sich bei den genannten Versprechen schlichtweg um mehr oder weniger gutes Marketing?

    Buchhaltung endlich ‚Smart, easy, schnell und einfach – für nur 10 EUR im Monat!‘

    Dieser Artikel schildert die Erfahrungen eines Steuerberaters, der sich dem Thema Selberbuchen von Beginn an nicht verschlossen hat.

    1. Qualität sinkt, Risiko steigt

    Ich erinnere mich noch gut, wie vor ca. vier bis fünf Jahren fast im Wochentakt neue Online-Buchhaltungs-Tools auf den Markt kamen. Als verhältnismäßig junger und mit Technik und Internet aufgewachsener Steuerberater stand ich dem Thema neugierig und offen gegenüber. Das tue ich auch nach wie vor, schließlich wollen wir in unserer Kanzlei keine Möglichkeit auslassen, die Zusammenarbeit mit unseren Mandanten zu verbessern. Dazu gehört natürlich auch, gemeinsam mit dem Mandanten die optimale Lösung für seine Buchhaltung zu finden. Aber…

    Im Laufe der Jahre musste ich feststellen, dass in der Mehrzahl der Fälle die selbst erstellten Buchhaltungen mit Fehlern durchsetzt sind. In Einzelfällen waren die Buchhaltungsdaten sogar derart unbrauchbar, dass die Buchhaltung neu erstellt werden musste, denn eines muss klar sein:

    Es ist niemandem geholfen, wenn die Buchhaltung im Ergebnis nicht die tatsächliche wirtschaftliche Situation der Unternehmung darstellt oder nicht den gesetzlichen Vorgaben entspricht.

    Was hilft es also, ein paar hundert Euro bei der Buchhaltung zu sparen, wenn die Betriebsprüfung die Buchhaltung zerlegt und infolgedessen Steuernachzahlungen und Bußgelder drohen. Auch der Steuerberater, der spätestens im Falle einer Prüfung hinzugezogen wird, wird ein hohes Honorar fordern, wenn er im Rahmen der Prüfungsbegleitung versucht zu retten, was noch zu retten ist. Im Extremfall droht sogar der Vorwurf der Steuerhinterziehung, denn auch im Steuerstrafrecht gilt grundsätzlich „Unwissenheit schützt vor Strafe nicht“.

    Natürlich gibt es auch Fälle, in denen die Sache mit dem Selberbuchen gut funktioniert. Ein Informatiker beispielsweise, der als Freelancer ein paar wenige Rechnungen im Monat an seine Auftraggeber stellt und dessen Ausgaben sich meist in Grenzen halten, kann seine Buchhaltung mit einem Online-Tool durchaus selber vorbereiten. Voraussetzung dafür ist aber die Bereitschaft, sich dem Thema grundsätzlich anzunehmen, also ein Grundverständnis für die Materie zu entwickeln und ein kleines Buchhaltungswissen aufzubauen. Dabei kann natürlich auch der Steuerberater helfen. „Ganz ohne Buchhaltungskenntnisse“ geht es aber eben doch nicht, das ist nach meiner Erfahrung zum Scheitern verurteilt.

    Sobald es über das Erfassen von einfachsten Belegen hinausgeht schnellt die Fehlerwahrscheinlichkeit steil nach oben. Bei den zunehmend häufiger vorkommenden grenzüberschreitenden Sachverhalten (Reverse Charge, Drittland-Umsätze) sind Fehlbuchungen im Grunde garantiert. Oftmals scheitert es bereits daran, einen Auslandssachverhalt als solchen überhaupt zu erkennen (Stichwort „ganz ohne Buchhaltungskenntnisse“).

    Mit nur wenigen Klicks zur strafbewährten Steuerverkürzung.

    Weitere häufige Buchungsfehler bei Selbstbuchern sind z.B.

    • Erfassung von Krankenkassenbeiträgen als Betriebsausgabe,
    • unberechtigter Vorsteuerabzug (unvollständige oder falsche Rechnungen, Porto, Versicherungen),
    • Verwendung falscher Buchhaltungskonten (in den vorgenannten Tools z.B. auch „Kategorien“ genannt),
    • Vermischung von privaten und betrieblichen Ausgaben.

    Bei Kapital- oder Personengesellschaften kommt verschärfend hinzu, dass die Buchhaltungstools hierfür häufig ungeeignet sind. Damit der User smart, easy und schnell das Programm bedienen kann, werden die buchhalterischen Erfassungsmöglichkeiten in aller Regel stark vereinfacht. Folglich fehlen erforderliche Buchhaltungsfunktionen, sodass eine vollständige und korrekte Verbuchung für GbRs, OHGs, UGs oder GmbHs bereits technisch gar nicht möglich ist. Die mühsame und aufwendige Korrektur obliegt dann dem Steuerberater, mit entsprechendem Kostenaufwand.

    Die steuerlich komplexen Personen- und Kapitalgesellschaften lassen sich mit vereinfachenden Online-Tools buchhalterisch kaum abbilden.

    Bei den zunehmenden gesetzlichen Anforderungen an Buchhaltungsdaten ist damit leider relativ schnell der Punkt erreicht, an dem die Vorgaben nicht mehr als erfüllt angesehen werden können. Jedem Selbstbucher muss diesbezüglich bewusst sein, dass die damit verbundenen Risiken allein bei ihm liegen, denn insbesondere als Selbstbucher ist der Steuerpflichtige für die Ordnungsmäßigkeit der Buchhaltung alleine verantwortlich. Die Digitalisierung findet außerdem auch in der Finanzverwaltung statt: Betriebsprüfer stürzen sich vermehrt auf die Buchhaltungsdaten, anstatt Belegordner durchzublättern.

    „Für die Ordnungsmäßigkeit der Bücher und Aufzeichnungen ist allein der Steuerpflichtige verantwortlich.“
    (Bundesministerium der Finanzen)

    Sicherlich wird der Steuerberater im Rahmen der Weiterverarbeitung der Buchhaltungsdaten noch einige Fehler identifizieren und korrigieren können, eine Überprüfung jeder einzelnen Buchung ist in der Regel aber nicht Teil des Auftrages (siehe dazu auch unser kürzlich entworfenes „Merkblatt für selbstbuchende Mandanten“).

    2. Kostenersparnis

    Nicht selten steht hinter dem Wunsch, die Buchhaltung selber zu erstellen, auch die Hoffnung auf eine Kostenersparnis. Die Praxis hat hier gezeigt, dass diese Hoffnung nur dann berechtigt ist, wenn die generierten Buchhaltungsdaten wirklich gut sind und sich daraus mit überschaubarem Aufwand die steuerliche Gewinnermittlung erstellen lässt, welche wiederum Grundlage für die Steuererklärungen ist. Sind die Buchhaltungsdaten mangelhaft und mit Fehlern durchsetzt, nimmt die nachträgliche Korrektur häufig mehr Zeit in Anspruch, als wenn gelernte Buchhalter oder Steuerfachangestellte die Buchhaltung erstellt hätten. Außerdem leidet in solchen Fällen fast immer die Qualität, da bei einer Korrektur  kaum mehr ein Ergebnis zu erreichen ist, welches mit einer von Beginn an ordentlich geführten Buchhaltung qualitativ vergleichbar ist.

    3. Fazit

    Selberbuchen kann klappen, muss aber nicht. Nicht selten schaffen sich die Steuerpflichtigen dadurch Risiken, die vermeidbar wären, wenn die Buchhaltung von gelernten Profis erstellt wird. Zumal es mittlerweile brauchbare Alternativen gibt, um mit dem Steuerberater online und digital zusammenzuarbeiten. Die Plattform „Unternehmen Online“ der DATEV (kurz „DUO“) ermöglicht es beispielsweise, dass Steuerberater und Mandant in der Cloud wie folgt zusammenarbeiten:

    • Der Unternehmer verwaltet und erstellt in „DUO“ Angebote und Rechnungen, außerdem lädt er seine Belege hoch.
    • Der Steuerberater ruft sämtliche Belege digital ab und verbucht sie ordnungsgemäß. Dabei wird er z.B. durch eine Texterkennungsfunktion unterstützt.
    • Auswertungen wie die BWA oder Kontenblätter werden dem Unternehmer nach Fertigstellung der Buchhaltung in „DUO“ zur Verfügung gestellt.

    So macht also jeder das, was er kann.

    Nach wie vor befinden wir uns aber in einer Übergangsphase, keine Lösung ist perfekt und der Umbau der Buchhaltungsprozesse im Rahmen der Digitalisierung ist „work in progess“. So hat z.B. die erwähnte Plattform der DATEV in Bezug auf die Usability im Vergleich zu anderen Tools definitiv noch Luft nach oben. Aus Sicht eines Steuerberaters ist aber der Ordnungsmäßigkeit der Buchhaltung immer die höchste Priorität beizumessen. Schließlich ist es Teil unserer Aufgabe, unsere Mandanten vor steuerlichen Risiken bestmöglich zu schützen. Das ziel muss also lauten:

    Gemeinsam mit dem Mandanten die beste Lösung für seine Unternehmung suchen.

    Möglichkeiten gibt es heute viele und manche Dinge müssen nach dem Prinzip „trial & error“ auch einfach mal ausprobiert werden.

     


  • Urteil: Als Programmierer im Ausland

    Urteil: Als Programmierer im Ausland

    Neue Arbeitswelt, CoWorking, über den Globus verteilte Teams, digitalen Nomaden – gearbeitet wird längst nicht mehr nur „im Büro“. Wer kann, darf oder möchte arbeitet gerne auch mal dort, wo es ihm gefällt. Die Betahäuser dieser Welt machen es möglich. Waren es anfangs vor allem die „Klick-Worker“ dessen Berufe hierfür prädestiniert sind, so trifft man vermehrt auch andere Berufe in CoWorking-Spaces wie z.B. dem SurfOffice auf Gran Canaria.

    Dieses ortsunabhängige Arbeiten stellt das Steuerrecht vor eine neue Herausforderung, da es in der Regel ortsbezogene Anknüpfungspunkte sind, die darüber entscheiden, ob ein Staat bestimmte Einkünfte besteuern darf. Die Entscheidung des Finanzgerichtes Düsseldorf vom 19. Januar 2016 (Az. 13 K 952/14 E) betrifft nun einen derartigen Fall.

    Als Programmierer in den Niederlanden

    Ein selbständiger Programmierer mit Wohnsitz in Deutschland war von einem niederländischen Unternehmen beauftragt worden, deren IT-Systeme zu integrieren und eine Datenmigration durchzuführen. Hierfür stellte man ihm ein Besprechungszimmer zur Verfügung – am Sitz der Firma in den Niederlanden. Und da nach der Auffassung des ITlers das Besteuerungsrecht für diese Einkünfte den Niederlanden zustehe, hatte er die zugehörigen Einnahmen nicht der deutschen Besteuerung unterworfen.

    Die Betriebsprüfung kam fünf Jahre später zu einem anderen Ergebnis. Die Einnahmen aus der Tätigkeit für die niederländische Firma in Höhe von rd. EUR 175.000,00 seien in Deutschland uneingeschränkt einkommensteuerpflichtig.

    „Ständige Einrichtung“ Ja oder Nein

    Es folgte ein ausgiebiger Streit mit dem Finanzamt. Der Programmierer trug unter anderem vor, dass nach dem Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und den Niederlanden derjenige Staat besteuern darf, in welchem der Steuerpflichtige eine „ständige Einrichtung“ unterhalte. Eine solche Einrichtung sei der Arbeitsraum am Sitz der Firma, da dieser speziell für ihn eingerichtet sei und er zeitweise exklusiven Zugang zu diesem Raum hatte. Ferner sei es im Übrigen nicht erforderlich, dass er diesen Raum auch dauerhaft genutzt habe. Schon allein die Tatsache, dass ihm dieser Raum für gewöhnlich zur Verfügung stehe führe dazu, dass den Niederlanden das Besteuerungsrecht zustehe.

    Das Finanzamt überzeugte die Darstellung nicht, der Fall ging zu Gericht.

    Keine Verfügungsmacht

    Das Finanzgericht wies die Klage ab, da die Voraussetzungen für eine ständige Einrichtung nicht erfüllt seien. In der Begründung stellte das Gericht die Verfügungsmacht in den Mittelpunkt der Entscheidung:

    „Nach herrschender Auffassung ist eine ständige Einrichtung in diesem Sinne nur dann anzunehmen, wenn sie u.a. von einer gewissen Dauer ist und der Steuerpflichtige über sie nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat.“

    … und weiter …

    „Nach der Ansicht des BFH liegt eine Verfügungsmacht in diesem Sinne jedenfalls nur dann vor, wenn dem Nutzenden eine Rechtsposition eingeräumt wird, die ihm ohne seine Mitwirkung nicht mehr ohne weiteres entzogen werden kann. (…) Die bloße Berechtigung zur Nutzung eines Raumes im Interesse eines anderen sowie die bloße tatsächliche Mitbenutzung eines Raumes begründeten für sich genommen noch keine Betriebsstätte (…). Auch das bloße Tätigwerden in Räumlichkeiten des Vertragspartners genüge für sich genommen nicht, um die erforderliche Verfügungsmacht zu begründen. Das gelte selbst dann, wenn die Tätigkeit zeitlich wiederholt oder sogar dauerhaft erbracht werde.“

    Das Finanzgericht ließ ferner die „besonderen Umstände“ wie das exklusive Nutzungsrecht und die auf den Programmierer zugeschnittene Einrichtung des Arbeitsraumes nicht gelten:

    „Die Behauptung des Klägers, dass es für die Erfüllung seiner Leistung gerade der Überlassung des von ihm genutzten Raumes bedurft hätte, hat sich durch die Vernehmung des Zeugen D nicht bestätigt. Der Raum war nach dessen Aussage wie ein normaler Büroraum ausgestattet. Den für die Arbeit erforderlichen Computer hat der Kläger selbst mitgebracht und nach Beendigung seiner Tätigkeit wieder mitgenommen. Wie der Zeuge D gleichfalls glaubhaft und nachvollziehbar ausgeführt hat, befand sich in dem betreffenden Raum keine besondere Zugriffsmöglichkeit auf das Computersystem der Fa. C . Der Zugriff erfolgte vielmehr über einen Kabelanschluss, wie er sich auch in anderen Büroräumen befand.“

    Zusammenfassung

    Ein Programmierer mit Wohnsitz in Deutschland sah für seine Einnahmen aus der Tätigkeit für ein niederländisches Unternehmen das Besteuerungsrecht bei den Niederlanden, da er seine Tätigkeit am Sitz des Unternehmens ausübte. Das Unternehme stellte ihm hierfür einen Arbeitsraum zur Verfügung, sodass er dort folglich eine „ständige Einrichtung“ im Sinne des Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) unterhalte. Finanzamt und Finanzgericht folgten dieser Auffassung nicht. Da er keine eigene Verfügungsmacht über den Raum hatte sei eine „ständige Einrichtung“ nicht gegeben. Das Besteuerungsrecht Deutschlands, welches aufgrund seines inländischen Wohnsitzes besteht, werde daher nicht durch das DBA eingeschränkt. Die Einnahmen sind in Deutschland uneingeschränkt einkommensteuerpflichtig.

    Finanzgericht Düsseldorf, 13 K 952/14 E